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Vortrag mit Prof. Dr. Andreas Krebs:
"Gott queer gedacht"

15.3.2024

Prof. Dr. Andreas Krebs sprach in seinem Vortrag über Gottes Ebenbildlichkeit: "Im Zentrum jeder Identität liegt etwas Unfassbares, etwas Unergründliches."
© R. van Doorn
Prof. Dr. Andreas Krebs sprach in seinem Vortrag über Gottes Ebenbildlichkeit: "Im Zentrum jeder Identität liegt etwas Unfassbares, etwas Unergründliches."

„Das Thema ist umstritten.“ Das sagte Heike Dreisbach, Leiterin der Erwachsenenbildung des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein, gleich zu Beginn der Veranstaltung. „Wir haben alle unsere eigenen Geschwindigkeiten mit diesem Thema.“ Das Thema: die Vielfalt an Lebensformen, Geschlechtervielfalt und Identitätsverständnisse. „Gott queer gedacht“ – so lautete der Titel des Vortragsabends in der Martinikirche in Siegen mit Prof. Dr. Andreas Krebs. Er hat einen Lehrstuhl für Alt-Katholische und Ökumenische Theologie inne und ist Direktor des Alt-Katholischen Seminars an der Universität Bonn. Zudem ist er Autor des Buches „Gott queer gedacht“. Der Begriff „queer“ ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene sexuelle Orientierungen und Geschlechteridentitäten, die außerhalb von heteronormativen Vorstellungen von Sexualität oder von binärem Geschlecht, also männlich und weiblich, liegen.

Andreas Krebs leitete seinen Vortrag mit dem Zeugnis einer Transperson ein, die von sich sagt, nicht binär zu sein. Sie habe festgestellt, dass sie in kirchlichen Texten nicht vorkomme, sage aber: „Es gibt eine Sprache, die mich einschließt, das ist die theologische Sprache von Gott.“ Gott sei weder Mann noch Frau und bleibe ein Stück weit ein Geheimnis. „Ich bin ebenbildlich und ich bin Teil dieses Geheimnisses“, zitierte der Referent die nichtbinäre Transperson, die im Glauben die Gewissheit gefunden habe, „du bist gut, so wie du bist“. Andreas Krebs zeigte auf, mit welchem Unverständnis queere Menschen konfrontiert sind. Transpersonen identifizierten sich nicht mit dem Geschlecht, das ihnen nach der Geburt zugeordnet worden sei. Nicht binär bedeute, dass weder Mann noch Frau zur Identität eines Menschen passe. Es könne eine Diskrepanz geben zu dem, wie man den eigenen Körper erlebe und dem, wie andere Menschen ihn wahrnähmen, erläuterte der Theologe. Die vielen queeren Begriffe wie trans oder nicht-binär zeigten die Vielfalt und dienten der Verständigung und auch der Selbstverständigung. Andreas Krebs sprach davon, dass die queere Bewegung vielen Vorwürfen ausgesetzt sei, unter anderem dass sie für einen Werteverfall sorge. Der Referent sprach hingegen von einem Wandel der Wertvorstellungen, bei dem es mittlerweile einen Konsens gebe: „Zulässig ist, was zwischen zustimmungsfähigen Menschen in respektvollem Einvernehmen geschieht.“ Diesen neuen Wertekonsens halte er für einen Fortschritt. In Bezug auf die Bibel machte er deutlich, dass gleichberechtigte sexuelle Beziehungen zur damaligen Zeit nicht bekannt gewesen seien. Beziehungen hätten nur in Machtgefällen stattgefunden. Mit Blick auf erotische, sexuelle Beziehungen, Ehe und Enthaltsamkeit sprach der Referent von einem „komplexen biblischen Befund“. Aber es gebe eine Zentralaussage der Bibel, die als Richtschnur dienen könne: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.“ Das Liebesgebot.

In Bezug auf die Geschlechterfrage erklärte Andreas Krebs, dass im ersten Schöpfungsbericht nicht stehe, Gott habe Mann und Frau geschaffen. Im Urtext auf Hebräisch stehe männlich und weiblich. Begriffe, die im Hebräischen auch für Tiere genutzt würden – es gehe also um den Körper, nicht um soziale Rollen. Der Schöpfungsbericht sei an Dualismen interessiert: Licht und Finsternis, Wasser und Land, die Sonne als Licht für den Tag und der Mond als Licht in der Nacht. Aber es seien zwei Pole eines Spektrums. Es gebe auch die Dämmerung, den Strand und der Mond sei auch am Tag zu sehen, erläuterte der Theologe. Warum sollte es also nicht auch bei Menschen mehr als nur weiblich und männlich geben? „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde“, heißt es in der Bibel. Andreas Krebs sagte dazu:

„Das einzige Bild, das Gott selbst von sich gegeben hat, ist die lebendige, männliche und weibliche geschaffene Menschheit – männlich und weiblich und einiges dazwischen“, so der Referent. Der theologische Kern der Lehre von Gottes Ebenbildlichkeit für ihn: „Im Zentrum jeder Identität liegt etwas Unfassbares, etwas Unergründliches.“

Eingeladen zu dem Abend hatten die Erwachsenenbildung, das Schulreferat und die Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein sowie die Evangelische Studierendengemeinde. Mit der Veranstaltung wollten sie auch eine Möglichkeit zum Austausch schaffen, der im Anschluss an den Vortrag unter anderem mit einer Fragerunde erfolgte.  

Sarah Panthel

 

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